Stan Sakai über Katzen

 

Es gibt eine japanische Spruchweisheit, die da lautet: „Gib einem Hund drei Tage lang Futter und er wird sich drei Jahre lang an deine Freundlichkeit erinnern. Gib einer Katze drei Jahre lang Futter und sie wird deine Freundlichkeit innerhalb von drei Tagen vergessen haben.“

 

Die ersten Katzen kamen durch Fujiwara no Sanesuke (957-1046) nach Japan, einen Adligen am Hof des tennō Ichijō (reg. 986-1011). Fujiwara ließ die Katzen aus China importieren. Sie wurden „handgefütterte Tiger“ genannt. Katzen erfreuten sich großer Beliebtheit, doch schon bald wurde ihnen mit Misstrauen und sogar Furcht begegnet. Abgesehen von ihrer Undankbarkeit sind Katzen außerdem von Haus aus destruktiv. Sie zerkratzen Tatami-Matten, machen Löcher in die papierenen shōji-Türen und schärfen ihre Krallen an hölzernen Stützbalken. Und sie mögen das Lampenöl und lecken nicht selten die Vorratsschalen leer.

 

Für die Japaner sind Katzen fluchbeladene Kreaturen. Nur die Katze und die Schlange trauerten nicht über den Tod Buddhas. Tatsächlich war es die Katze, die die Ratte getötet hatte, welche losgeschickt worden war, um Medizin zu besorgen.

 

Wie Füchse und tanuki sind auch die Katzen in der Lage, Menschen zu verhexen. Katzen können außerdem die Toten kontrollieren, sie sogar tanzen lassen. Katzen haben einen Hang, sich in neko-mata zu verwandeln, in „Kobold-Katzen“. Davon können sie nur „kuriert“ werden, indem man ihnen die Schwänze abschneidet – eine Praxis, die üblicherweise bereits an kleinen Kätzchen vollzogen wurde. Wenn eine neko-mata älter wurde, konnte sie zu einer obake-neko werden. „Obake-neko“ (manchmal auch „kaibyō“) bedeutet wörtlich „übernatürliche Katze“, wird oft aber mit „Geisterkatze“ oder „Vampirkatze“ übersetzt. Es gibt im Westen nichts Vergleichbares. Zu obake-neko konnten nicht nur die älteren Katzen werden, sondern auch getötete oder schlecht behandelte Exemplare, die auf Rache aus waren.

 

Es gibt eine recht bekannte Geschichte über die obake-neko der Saga-Burg, die auf das Kabuki-Stück Hana Saga neko mata zoshi („Die Geschichte vom Katzenmonster in der Saga-Burg“, geschrieben 1853) aus der Feder des Schauspielers und Dramatikers Segawa Joko III (1806-1881) zurückgeht. Danach soll Fürst Naoshige Nabeshima (1537-1619), ein passionierte Go-Spieler, den blinden Go-Meister Matahichiro Ryūzōji zu einem Spiel herausgefordert haben. Der Name des Go-Meisters ist sicher kein Zufall. Die Nabeshima traten 1607 die Nachfolge der Ryūzōji als Herren der Burg von Saga an. Als Nabeshima das Spiel zu verlieren drohte, tötete er Ryūzōji. Der Blinde hatte eine alte Mutter, die sich, als sie vom Tod ihres Sohnes hörte, vor Kummer das Leben nahm. Ryūzōji hinterließ aber auch eine Katze namens Tama, die das Blut der Mutter aufleckte, sich in eine obake-neko verwandelte und die, bis heute, für viele merkwürdige Vorkommnisse in der Burg verantwortlich gemacht wird.

 

Nun werden nicht alle Katzen mit Arglist und Heimtücke in Verbindung gebracht. Unter Seeleuten werden Katzen sehr geschätzt, vor allem die dreifarbigen mike-neko (wörtlich „Drei-Fell-Katze“, eine Zuchtform der Japanese Bobtail, der Japanischen Stummelschwanzkatze). Menschen, die auf hoher See ertrinken, finden keine Ruhe. Sie verstecken sich in den Wellen und strecken im Schutz der weißen Schaumkronen ihre Arme aus, um unschuldige Opfer einzufangen. Katzen, die ja die Toten kontrollieren können, vertreiben die Geister der Ertrunkenen.

 

Die maneki-neko oder Winkekatze findet sich in und vor vielen Läden, wo sie mit ihrer hochgereckten Tatze die Kunden herbeirufen und zum Geldausgeben animieren soll. Das farbige Relief einer schlafenden Katze am Nikkō-Tōshō-gū, dem Schrein, in dem der erste Tokugawa-Shogun, Ieyasu, bestattet wurde, schützt angeblich das ganze Gelände vor Mäusen und winkt bei heraufziehendem Regen.