Stan Sakai über die Polizei

 

In größeren Ortschaften hatten die leitenden Amtspersonen einen Status, der dem von Fürsten (daimyō; wörtlich „großer Name“) vergleichbar war. Der Magistrat war für alle polizeilichen Aufgaben seines Ortes verantwortlich. Er hatte zivilrechtliche Streitigkeiten beizulegen und Reisegenehmigungen auszugeben. Er war aber nicht für Samurai und Priester zuständig, um die sich andere Offizielle zu kümmern hatten.

 

Unterhalb des Magistrats arbeiteten die yoriki, deren Posten traditionell innerhalb einer Samurai-Familie vererbt wurden. Den yoriki unterstanden die dōshin. Obwohl auch ihre Ämter ausschließlich Samurai vorbehalten und innerhalb der Familie erblich waren, trugen die dōshin nur ein Schwert [statt des sonst üblichen daisho]. Unterhalb der dōshin rangierten die okappiki. Das waren normale Ortsansässige, die Patrouillendienste versahen und sich als Spitzel und Informanten betätigten. Das Symbol der Amtsautorität der Polizisten war die jitte („zehn Hände“), ein einem Dolch nicht unähnlicher Eisen- oder Messingstab mit einer Art Gabelzinke zum „Auffangen“ einer gegen die Amtsperson geführten Schwertklinge.

 

Die Polizeikräfte waren in der Edo-Zeit für die gesamte Strafverfolgung zuständig – also für die Ermittlung, die Festnahme, die Verurteilung und die Hinrichtung von Verbrechern. Die Todesstrafe wurde bei folgenden Vergehen verhängt: Mord, Raub und Ehebruch. Die wegen der üblichen Holz-und-Papier-Bauweise in der Bevölkerung besonders gefürchteten Brandstifter wurden bei lebendigem Leib verbrannt. Ferner gab es verschiedene Grade der Verbannung. Diese konnte zum Beispiel das Exil auf einer abgelegenen Insel sein – oder auch nur das Verbot, eine bestimmte Nachbarschaft zu betreten. Auch Hausarrest oder andere Formen der Freiheitsbeschränkung waren möglich, ebenso das Scheren des Kopfes eines Straftäters.

 

Die Haft zählte nicht zu den Strafen. Wer in der Zelle saß, der wartete darauf, dass über seine Schuld oder Unschuld entschieden wurde. Die Autorität genoss entweder so großen Respekt oder wurde so sehr gefürchtet, dass immer dann, wenn in einer Zelle oder auch nur in der Nähe des Gefängnisses ein Feuer ausbrach, alle Gefangenen zum Schutz ihres Lebens freigelassen wurden. Es galt als selbstverständlich, dass sie aus eigenem Antrieb in ihre Zelle zurückkehrten, sobald die Gefahr vorüber war.

 

Der „Weiße Sand der Gerichtsbarkeit“ (shirasu) markierte jene Fläche, in die ein Gefangener nach seinem Geständnis verbracht wurde. Auch Zeugen gaben darauf, kniend und in Anwesenheit des Magistrats, ihre Aussagen zu Protokoll. Außerdem hörte der Beschuldigte auf dem shirasu seinen Urteilsspruch.

 

Henker wurden unter den Angehörigen der eta-Klasse ausgewählt, der untersten sozialen Schicht. Der Henker erhielt die Kleidung des Hinzurichtenden zum Lohn. Er legte daher großen Wert darauf, dass sie durch sein Tun nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.